Kulturunterschiede und Natur

Heute gibt es erst einmal viel Text. Dafür entschuldige ich mich schon einmal ^^ Wer hauptsächlich Fotos gucken will, der scrolle einfach nach ganz unten.

Nach dem Ende der 8-tägigen Gruppenreise sollte meine letzte Station der Ranthambore Nationalpark sein. Hierzu hatte ich bereits im Voraus Zugtickets online bestellt. Meine Unterkunft, in der ich bereits die ersten zwei Nächte in Indien verbracht habe, liegt zum Glück nur wenige Minuten zu Fuß vom Hazrat Nizamuddin Bahnhof. Ich bin also vom End-Hotel der Tour erst einmal mit einem Uber (sowas wie ein Taxi) in Richtung Nizamuddin East gefahren. Leider war der Fahrer mehrfach abgelenkt von seinem Handy und auf dem großen Kreisverkehr um das India Gate passierte es dann – KRACH! Der Fahrer war jemandem hinten drauf gefahren.

Eine kurze, laute Diskussion später fuhren wir links ran, ich mußte aussteigen, da die Fahrertür nicht aufging und irgendetwas schleifte. Der Fahrer krabbelte über die Beifahrertür raus, holte einen Schraubendreher aus dem Kofferraum, zog ein loses Teil ab, bog das Blech zurecht, so dass er wieder die Tür öffnen konnte und dann brachte er mich doch noch bis zu meiner Unterkunft. Abenteuer Delhis Straßen…

Die dunkle Seite

Am nächsten Tag packte ich also meinen kleinen Rucksack (den großen durfte ich in der Unterkunft lassen) und marschierte mit gut anderthalb Stunden Puffer zum Bahnhof. Ich hatte den Wagenstandsanzeiger im Internet geprüft und mich an die vermeintlich richtige Stelle am Bahnhof platziert. Ein ärmlich gekleideter Mann sammelte in einem großen Plastiksack leere Plastikflaschen. Ich habe nicht gesehen, was passiert ist, aber plötzlich schimpfte ein gut gekleidetes Mittelstands-Paar auf den Flaschensammler ein. Der Mann packte das Opfer bei den Haaren und zerrte ihn quer über den Bahnsteig während die Frau gezielt nach seinem Gesicht, dem Hals und den Nieren trat.

Nach einiger Zeit ließ der Angreifer den Flaschensammler wimmernd am Boden liegen und verschwand, während die Frau weiter auf ihn einschimpfte. Kurz darauf kam der Mann zurück – und brachte einen Bambusstock mit, mit dem er auf dem am Boden liegenden Mann einschlug. Wenig später ließ das Pärchen vom Flaschensammler ab, der weinend liegen blieb. Seine Hose war bei dem Handgemenge vom Schritt bis zum Knie zerrissen, er trug keine Unterwäsche. Nach einigen Minuten rappelte er sich vorsichtig auf, holte seinen Sack von den Gleisen und machte sich erneut daran, Flaschen zu sammeln.

Der Bahnsteig war voller Menschen, doch niemand reagierte. Ich, als alleinreisende Europäerin, die nicht verstand, was da gerade passierte, habe mich auch nicht getraut einzugreifen. Auf meine höfliche Frage an eine daneben stehende Person, was da eigentlich gerade passiert sei, zuckte diese nur mit den Schultern und sagte „Cheater“. Bei allen kulturellen Unterschieden, ich werde niemals verstehen, wie scheinbar ganz normale Menschen (und hier einer scheinbar halbwegs gebildeten Mittelschicht) so beiläufig gewalttätig sein können. Egal, was der Auslöser war.

Zug fahren in Indien

Mein Zug fuhr dann mit guten 75 Minuten Verspätung auch endlich los – dummerweise hatte sich die Wagenreihenfolge geändert. Züge in Indien sind LANG. Mich trennten jetzt 17 Wagons von meinem eigentlich gebuchten Sitzplatz in einer guten 2. Klasse. Ich beschloss mich auf den „ich habe das nicht verstanden“ Punkt zurück zu ziehen und setzte mich in die 3. Klasse (Wagon D2 statt B2). Neben mir saß zunächst eine sehr nette Lehrerin, die mich im Laufe der Fahrt Löcher in den Bauch fragte, mir Fotos von ihrer Schulklasse und ihrer Sari-Sammlung auf dem Handy zeigte und Selfies mit mir machte. Als jemand einstieg, der eigentlich den Sitz reserviert hatte, auf dem ich saß, moderierte sie für mich und der Herr willigte ein sich auf einen anderen freien Platz zu setzen.

Später traf ich noch ein 12 jähriges Mädchen eine Reihe hinter mir. Sie war ebenfalls neugierig und wollte unbedingt ihr Englisch verbessern, daher tauschten wir sogar Nummern aus und schreiben uns jetzt nette Belanglosigkeiten auf What‘s App.

Ranthambore Nationalpark

Nach etwa 5 Stunden kam ich dann heile in Sawai Madhopur an, meinem Ausgangspunkt für die Safaris im Ranthanbore Nationalpark. Das Hotel, das ich gebucht habe, war TRAUMHAFT! Toller Service, super Restaurant, riesige und schöne Zimmer, traumhafter Pool (natürlich hatte ich keine Badesachen mit, hatte auch keine Zeit dafür). Am nächsten Morgen ging es dann um 6 im Morgengrauen los. 6 Personen wurden in zugegeben sehr enge Jeeps gequetscht, dann fuhren wir in den Nationalpark. Und fuhren… und fuhren… Hielten an – der Fahrer und der Guide unterhielten sich 20 Minuten lang auf Indisch – dann ging es weiter. In den drei Stunden dieser ersten Tour haben wir lediglich Wildschweine, ein paar freche Vögel und ein paar Hirsche gesehen. Kein Tiger weit und breit. Was besonders ärgerlich war: Meine Zimmernachbarn haben 3 bzw. 4 Tiger sehen können auf anderen Routen 🙁 Hier also endlich ein paar Fotos:

Nachmittags saß ich dann mit 2 Briten und 2 Indern im Jeep. 3 der 4 hatten ziemlich große Tele-Objektive dabei. Einer der Inder war offensichtlich der Guide für die beiden Briten, er sprach hervorragend Englisch. Auf dieser Tour konnten wir zumindest mehr Tiere sehen und fotografieren, mein Highlight war eine große braune Fischeule! Da wurde der Fahrer vom stillen Inder aber auf den Millimeter positioniert, damit das perfekte Foto dabei herum kommt 😉

Bei der Recherche nach den fotografierten Tieren ist übrigens die Schildkröte echt spannend gewesen. Für eine Ganges-Weichschildkröte ist sie zu länglich. Falls es eine dunkle Weichschildkröte (Nilssonia nigricans) ist, dann gilt diese als in der Wildnis ausgestorben! Für mich als Laien sieht sie allerdings exakt so aus! Das wäre ein noch größerer Jackpot als ein Tiger…

Im Übrigen stellte sich später heraus, dass der stille Inder, der vorne im Jeep saß, ein professioneller und hoch erfolgreicher Tierfotograf und -filmer ist, der auch noch im gleichen Hotel wohnte wie ich. Ihm sind nicht nur die guten Eulen-Fotos zu verdanken, er hat mir auch noch Tipps für meine Reise gegeben, angeboten meinen nächsten Wildlife-Trip nach Indien zu planen, mir seinen persönlichen Guide für Costa Rica empfohlen und am Ende hat er mir noch seinen Kalender mit Vogel-Fotos aus Costa Rica geschenkt. Zufälle gibt‘s…

Am Ende hatte ich also kein Glück mit Tigern. So mußte ein Selfie mit einem Bild im Flur meines Hotels herhalten ^^

Goodbye India

Damit geht meine Zeit in Indien auch schon wieder vorüber. Die Zugfahrt zurück nach Delhi war entspannt. Ich gehe mir einem lachenden und einem weinenden Auge und der Gewissheit, dass Indien so viel größer ist als der winzige Teil, den ich gesehen habe. Nun geht es als nächstes auf kurzen Heimatbesuch, bevor ich am 15.2. nach Sri Lanka aufbreche. Ich freue mich ehrlich gesagt jetzt schon darauf, dass ich bald wieder in wärmeren Gefilden sein werde 😉 Bis dahin!

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